Therapieansätze bei CED: Mikrobiom oder Metabolom – was zählt?

Prof. Dr. med. Stefan Schreiber

Kurzkettige Fettsäuren, sekundäre Gallensäuren, Tryptophan: Mikrobielle Metabolite stehen im Fokus der CED-Forschung, denn sie bieten Potenzial für neue Therapiestrategien. Einen Überblick gibt Prof. Dr. med. Stefan Schreiber, Klinik für Innere Medizin I, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel.

Es ist bekannt, dass das Mikrobiom bei Patientinnen und Patienten mit CED verändert ist. Die Erkenntnisse gehen aber nicht sehr in die Tiefe und beziehen sich hauptsächlich auf eine reduzierte Diversität, die Forschende der Universität Kiel bereits 2004 beschrieben haben (1). Sie ist ein Charakteristikum bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa und beeinflusst die Krankheitsaktivität ebenso wie das Ergebnis von Therapien. Insbesondere das Ansprechen auf TNF-α-Inhibitoren hängt vermutlich eng mit dem Mikrobiom zusammen.

In Mikrobiomanalysen wurden einige Spezies identifiziert, die mit dem Therapieergebnis korrelieren. Zum Beispiel ergab eine Studie mit Colitis-ulcerosa-Patientinnen und -Patienten, dass Faecalibacterium prausnitzii bei Respondern vor Therapiebeginn häufiger vertreten war als bei Non-Respondern und sich zudem während der Induktionstherapie vermehrte (2). Insgesamt sind die Studiendaten zu Indikatorspezies aber heterogen und als Hinweise einzustufen, dass es Markerstämme für das Therapieansprechen geben könnte.

Grundsätzlich liefern Mikrobiomanalysen nicht genügend Informationen, um die komplexen Interaktionen zwischen Mikrobiom und Wirt unter einer Anti-TNF-Therapie zu erklären. Wichtiger als Art und Menge der Darmbakterien zu erfassen ist das Verständnis, welche Funktionen Bakterien ausüben. In diesem Zusammenhang sind mikrobielle Metaboliten interessant, die als Signalmoleküle fungieren und Immunantworten modulieren bzw. direkte pro- oder antiinflammatorische Effekte entfalten (3). Wichtige Vertreter sind kurzkettige Fettsäuren und sekundäre Gallensäuren. Beide Molekülfamilien werden von der Mikrobiota gebildet, beide wirken antiinflammatorisch, stabilisieren die Darmbarriere und wirken positiv bei CED.

 

Butyrat korreliert mit Remissionsinduktion

Die kurzkettige Fettsäure Butyrat hat sich bei CED bereits in früheren Studien als therapeutisch wirksam erwiesen (4). Ihr unangenehmer Geruch und die laxierende Wirkung verhinderte aber die Entwicklung von klinischen Präparaten. Aktuelle Studien weisen nun erneut auf die Bedeutung von Butyrat hin: So war das Erreichen der klinischen Remission nach einer Anti-TNF-Therapie bei CED-Patientinnen und -Patienten mit einem höheren Anteil an Butyratbildnern in der Mikrobiota und entsprechend hohen Butyratkonzentrationen im Stuhl assoziiert (5).

Ähnliche Effekte haben sekundäre Gallensäuren: Bei CED-Patientinnen und -Patienten, die mit TNF-α-Inhibitoren und weiteren Biologika behandelt wurden, war eine Remissionsinduktion hoch signifikant mit dem Vorhandensein dieser Metaboliten assoziiert (6).

Eine andere Studie lässt sogar vermuten, dass der Mangel an sekundären Gallensäuren eine Ursache für CED sein könnte. Ruminokokken gehören zu den wenigen Kommensalen, die primäre in sekundäre Gallensäuren umwandeln können. Ihr Anteil war in Stuhlproben von Colitis-ulcerosa-Patientinnen und -Patienten mit und ohne Pouchitis stark reduziert, ebenso wie ihre Metaboliten, die Desoxycholsäure und Lithocholsäure. Im Tierexperiment waren beide sekundären Gallensäuren therapeutisch wirksam: Bei Mäusen mit experimentell erzeugter Colitis führten sie zu einem Rückgang der Darmentzündung (7).

 

Verlust des Crosstalks zwischen Wirt und Mikrobiom

Welche Mikrobiota mit ihren Metaboliten im Darm vorkommen, unterliegt auch der Kontrolle durch die Gene. Diese ist bei CED gestört, wie eine Studie mit monozygoten, diskordanten Zwillingspaaren mit Colitis ulcerosa zeigt. Während bei den gesunden Kontrollen ein intensiver Crosstalk zwischen Transkripten der mukosalen Epithelzellen und Bakterienphyla stattfand, waren diese Interaktionen bei gesunden Zwillingen reduziert und kamen bei kranken Zwillingen fast zum Erliegen. Damit gingen nicht nur veränderte Metabolitenprofile einher, sondern auch gestörte metabolische Interaktionen zwischen den Darmbakterien (8). Diesen Co-Metabolismus untersuchten Forschungsteams der Universität Kiel bei CED-Patientinnen und -Patienten genauer. Sie fanden heraus, dass er in aktiven Krankheitsphasen reduziert ist und sich in Phasen der Remission normalisiert (5). Der Co-Metabolismus spielt offenbar auch eine Rolle für den Erfolg einer Anti-TNF-Therapie: Der Stoffaustausch im Mikrobiom unterscheidet sich bei Respondern und Non-Respondern bereits vor Behandlungsbeginn. Bei Respondern produzieren die Darmbakterien u. a. mehr kurzkettige Fettsäuren, die zur mukosalen Heilung beitragen (5). Da es bei einem reduzierten Stoffaustausch an diesen wichtigen Metaboliten mangelt, könnte dies ein Ansatzpunkt für gezielte Interventionen sein: Beispielsweise wäre der Einsatz von Probiotika denkbar, um die Interaktionen zwischen den Bakterien zu fördern und so die Wirkung von TNF-α-Inhibitoren zu unterstützen (5).

 

Tryptophanmangel verstärkt Colitis

Einen direkten Ansatz für eine mikrobiombasierte Therapie bietet der Tryptophanstoffwechsel. Die Versorgung des Körpers mit dieser essenziellen Aminosäure erfolgt in erster Linie durch Tryptophan-produzierende Darmbakterien, die die Zusammensetzung der Mikrobiota wesentlich prägen, da viele Spezies abhängig von Tryptophan sind.

Es ist bekannt, dass Tryptophan bei entzündlichen Erkrankungen verstärkt abgebaut wird; entsprechend findet man bei circa 25-30 % der Patientinnen und Patienten mit CED stark erniedrigte Tryptophanspiegel. Relevant ist dies, weil beim Abbau der Aminosäure entzündungsfördernde Verbindungen entstehen. Ein erhöhter Abbau korrelierte mit der Krankheitsaktivität (9).

Bei Mäusen begünstigte der Mangel an Tryptophan eine Colitis, die abklang, wenn die Tiere mit Tryptophan bzw. seinem Metaboliten Nicotinamid gefüttert wurden. Das Kieler Forschungsteam untersucht nun in einer Studie, ob Nicotinamid ein potenzielles Medikament für CED-Patientinnen und -Patienten sein könnte. Dazu entwickelten sie eine spezielle Verkapselung, die Nicotinamid am Ort der Entzündung freisetzt, also in Ileum und Kolon. Die Hoffnung ist, mit dieser Intervention die Mikrobiota so behandeln zu können, dass sich die Mukosa erholt.

 

Fazit für die Praxis

Die Erforschung des Metaboloms hilft zu verstehen, welche Prozesse zwischen Mikrobiom und Wirt bei CED gestört sind. An diesen Punkten könnten künftige Therapien ansetzen, die gezielt und individuell greifen.

 

Literatur:

1 Ott S et al. Gut. 2004; 53(5): 6845-93.

2 Magnusson MK et al. J Crohn Colitis. 2016; 10(8): 943-52.

3 Schirmer M et al. Nature Review Microbiology. 2019; 17(8): 497-511.

4 Scheppach W et al. Gastroenterology. 1992; 103(1): 51-6.

5 Aden K et al. Gastroenterology. 2019; 157(5): 1279-92.

6 Lee JWJ et al. Cell Host Microbe. 2021; 29(8): 1294-1304.

7 Sinha SR et al. Cell Host Microbe. 2020; 27(4): 659-70.

8 Lepage P et al. Gastroenterology. 2011; 14(11): 227-36.

9 Nikolaus S et al. Gastroenterology. 2017; 153(6): 1504-16.

Bild-Quelle: Schreiber, privat

Aus: Newsletter 1/2022, Hamburger Expertenkreis Mikrobiom (Initiative der FERRING Arzneimittel GmbH)